SPD Ellertal

Soziale Politik in der Fränkischen Toskana

„Hat die Mittelschule Litzendorf eine Zukunft?“

Veröffentlicht am 15.07.2012 in Bildung

SPD 120709

Zur insgesamt schwierigen Situation der Schulen in Bayern und besonders der Mittel­schulen äußerten sich in einleitenden Stellungnahmen MdL Martin Güll, die Konrektorin der Mittelschule Scheßlitz Susanne Bonora, der Bezirksvorsitzende des Philologen­verbands Peter Drescher und Bürgermeister Wolfgang Möhrlein.

In seinem Referat ging Martin Güll aus von der gegenwärtigen Schieflage der Bil­dungsangebote in Bayern und dem geänderten Verhalten der Eltern bei der Schulwahl. So herrsche eine große Nachfrage nach dem Gymnasium und starke Nachfrage nach der Real­schule; für die Mittelschule hingegen gebe es eine relativ geringe Entscheidung. Für viele Kinder bedeutet das in den 3. und 4. Klassen enormen Leistungsdruck, wenn es ihnen schwer­fällt, die erforderliche Durchschnittsnote für ein Übertrittszeugnis zu erreichen. Angesichts der hohen Übertrittsquoten nach der vierten Klasse auf weiterführende Schulen fehlen an den Mittel­schulen Schüler. Aus langjähriger Berufserfahrung kennt der Referent die Lage. Er war viele Jahre lang Lehrer an der Hauptschule Markt Indersdorf und von 2002 bis 2008 dort Schullei­ter.
Eine Lösung des Problems bietet nach seiner Auffassung die Gemeinschaftsschule. Als Ergänzung zu den bestehenden Schularten fordert er, „bedarfsgerechte Lösungen für regio­nale Schulstandorte“ zuzulassen.
Die Gemeinschaftsschule nach dem sogenannten „Altmühltaler Plan“ wäre ab 200 Schülern zu verwirklichen. Ihre Pädagogik stellt das Kind in den Mittelpunkt. Sie geht von der Verschiedenheit der Schülerpersönlichkeiten aus.
Ihre Merkmale sind
- längeres gemeinsames Lernen,
- auf der Grundlage der bayerischen Lehrpläne,
- eine aktive, selbstgesteuerte Lernform,
- Ganztagsschule in den Klassen 5 bis 10, danach Oberstufenzentrum.
Das Konzept der Gemeinschaftsschule führt zum Hauptschulabschluss, dem Real­schulabschluss und ermöglicht auch den Übergang zu einer Oberstufe. Als Beispiel, wie in einem eher konservativ strukturierten Land eine neue Landesregierung neue Möglichkeiten entwickeln kann, nannte er Baden-Württemberg. Dort haben die ersten Gemeinschaftsschulen ihren Betrieb bereits aufgenommen (Süddeutsche Zeitung, 14.05.2012).
Auf diese Ausführungen reagierte der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Philolo­genverbands Peter Drescher mit dem Hinweis auf eine Studie, nach der längeres gemeinsames Lernen der Schüler nicht zu besseren Ergebnissen führt. Trotz des Drucks auf die Kinder in der vierten Jahrgangsstufe halte eine große Mehrheit der Eltern an der Wahl des Gymnasiums fest.
Kein Kind darf der Gesellschaft verlorengehen! Diese Forderung stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Susanne Bonora, stellvertretender Schulleiterin der Mittelschule Scheßlitz. Andererseits macht den Schulen das Problem der Heterogenität zu schaffen: Ein­heitliche Lerngruppen gibt es nicht. Lernen müsse daher anders stattfinden. Die Schule muss sich den individuellen Anforderungen der Kinder anpassen können. Da der demographische Wandel in den nächsten Jahren in bestimmten Gebieten Bayerns für die Mittelschulen Prob­leme mit sich bringen wird, sollten die Gemeinden nach Wegen suchen, junge Menschen in der Region zu halten.
Vor der Diskussionsveranstaltung am Abend hatte für die Landtagsabgeordneten Bie­defeld und Güll eine Besichtigung der Mittelschule Litzendorf auf dem Programm gestanden. Sie hatten sich dabei auch ein Bild von der erfreulichen Gesamtsituation der Gemeinde Lit­zendorf machen können. Susann Biedefeld äußerte sich dann auch sehr anerkennend über die hervorragende Ausstattung der Litzendorfer Schule, bevor Bürgermeister Wolfgang Möhrlein seine Sicht auf das Thema darlegte.
Nach seiner Ansicht bemühen sich alle Bürgermeister des Landkreises darum, ihre Schulen sehr gut in Stand zu halten und sie in die Lage zu versetzen, die Schüler den Anfor­derungen der Betriebe in der Region entsprechend auszubilden. Für diese seien Vorausset­zungen wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit oft wichtiger als bestimmte Schulabschlüsse. Ob die Mittelschule auf Dauer zu halten sei hänge auch davon ab, wie sich die Einstellung der Eltern zur Schule entwickelt.
In der allgemeinen Diskussion wurde dem Vertreter des Philologenverbands entge­gengehalten, dass der Erfolg des Gymnasiums überschätzt werde. So blieben beim ersten Jahrgang des achtklassigen Gymnasiums zum Beispiel 30 Prozent der eingeschulten Schüler auf dem Weg zum Abitur auf der Strecke. Ein Gemeinderat wies darauf hin, dass den Schü­lern im achtjährigen Gymnasium meist die Zeit fehlt, noch in Vereinen tätig zu sein, wie sie es wünschen. Geklärt wurde im Verlauf der Diskussion auch die Frage nach dem Unterschied zwischen der Gemeinschaftsschule (klein) und der Gesamtschule (groß).
Am Ende der Veranstaltung blieb die Frage „Hat die Mittelschule Litzendorf eine Zu­kunft?“ noch offen. Auch die Frage, ob für Litzendorf die Gemeinschaftsschule eine Alterna­tive sein kann, blieb unbeantwortet: allerdings kann nun auf der Grundlage wertvoller neuer Informationen weiter nachgedacht und schließlich darüber entschieden werden.

Autor: Rupert Scheuring
Foto: Peter Schmidt

Downloads

OV-Zeitung

WebSozis

Soziserver - Webhosting von Sozis für Sozis WebSozis