SPD Ellertal

Soziale Politik in der Fränkischen Toskana

SPD Ellertal: Kulturherbst mit Sigi Zimmerschied

Veröffentlicht am 16.11.2014 in Ortsverein

Sigi Zimmerschied
Ein bitterböser Abend, der weh tat...

Er tut unheimlich weh – und damit unheimlich gut. Bei seinem umjubelten Auftritt in Saal der Brauerei Reh in Lohndorf anlässlich des Ellertaler Kulturherbstes der SPD sezierte Kabarett-Altmeister Sigi Zimmerschied derart gekonnt, rasend schnell und böse fast 70 Nachkriegsjahre, dass manchem das Lachen im Halse stecken blieb. Einmal mehr bewies Zimmerschied, dass es ein Leben für das politische Kabarett auch nach dem Grinse-und Schenkelklopfer-Massaker durch ostdeutscher Fettmasse in rosa Trainingsanzug und „Weste-Meine-Freundin“-Plattitüden im Münchener Olympiastadium gibt.

Wolfgang Heyder, Nachfolger von Kulturherbst-Legende Anton Söhnlein, hatte sich schon vorab auf ein „anspruchsvolles, aber auch polarisierendes Kabarett“ gefreut. Er und über 220 Kabarettfreunde im proppenvollen Reh-Brauereisaal sollten an diesem Abend nicht enttäuscht werden. Mit seinem „Programm „Multiple Lois – Entwürfe eines Parasiten“ zog Zimmerschied mit Mimik, Gestik, Wort und Ton wirklich alle Register des guten, alten Kabaretts.

 

So richtig weiß seine Bühnenfigur Lois nicht, warum er nun da oben vor so vielen Leuten steht. Irgendwer hat ihn eingeladen. Und nun gilt es das Beste daraus zu machen. Auch wenn er mit dem Kabarett auf Kriegsfuß steht: „Warum soll ich Eintritt zahlen für jemanden, der mir zwei Stunden erzählt, was für ein Depp ich bin?“ Und so erzählt er lieber von seinem Leben als Vermieter, der angesichts der wechselnden Klientel seine Weltanschauungen, politischen Überzeugungen und Moralvorstellungen in fast 70 Jahre Zeitgeschichte so häufig wechselt wie ein Chamäleon seine Farbe.

 

Das Mietshaus hat er geerbt von seinem Großvater, der es von einem Juden in schwierigen Zeiten „geschenkt“ bekam. Dumm nur für diesen Zacharias, dass er in besseren Zeiten nicht mehr vorbeikam und sich das Haus – wie einst ausgemacht - zurückschenken ließ. Und so stopft Lois das Haus voll und vermietet die Zimmer zu Wucherpreisen. Kriegsflüchtlinge, die ersten Gastarbeiter („Die allerbesten Türken waren eigentlich Schlesier, also Deutsche, auf die man sich verlassen konnte“), Chinesen („Ja, der Asiate, der war auch sehr dankbar, der passte auch von der Größe überall hin!“), Studenten („stinkende Rollkragen-Pullis aus der 70-er Jahren“), sektiererischen K-Gruppen, Kiffer, Homosexuelle („Schwule und Lesben waren nicht verboten. Sie waren eine anerkannte Krankheit!“), Yuppies, deren Leben nur aus „Dax und Koks“ bestand, und kotzende BWL-Studenten, die nur nur noch gegen die Verlängerung von Sperrzeiten demonstrieren, ziehen bei ihm ein.

 

Dennoch führt Lois seine Mieter vor, lästert über die ab, die ihm das Geld ins Haus bringen. Er redet Dinge schön, die nicht schön zu reden sind. Er ist eine Zecke, ein Blutsauger, ein Parasit. Aber er hat sich nichts vorzuwerfen. Alle machen es doch so, oder? Schließlich ist jeder jedermanns Zecke. Allen voran der Staat. Die Oberzecke. Oder wie sein Onkel Norbert immer so schön sagte: „Es gibt in Deutschland acht Millionen Zierfischerl und zwei Millionen Beamte. Das sind zehn Millionen hilflose Geschöpfe, die gefüttert werden müssen.“

 

Lois will sich für sein parasitäres Verhalten die Absolution bei Publikum abholen. Durch diesen Verbrüderungsversuch seiner Kunstfigur entlarvt Zimmerschied die Vorurteile und Einstellungen ganzer Generationen – schonungslos und brutal ehrlich. Und der Passauer Kabarettist verzichtet dabei auf jeden Ansatz einer politischen Korrektheit. Er geifert, tobt, spukt und rappt wie ein ausgebrochener Vulkan. Auch ein solcher ist nicht zu stoppen. Zimmerschieds kabarettistische Lava ist noch nicht erkaltet, sie fließt weiter glühend heiß in die Gehirne. In Erinnerung bleibt ein unvergesslicher, anstrengender, verstörender und bitterböser Abend.

Thomas Pregl

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